Wir möchten Sie heute auf eine Reise mitnehmen in das ferne Äthiopien. Denn dort – mitten in der Großstadt Addis Abeba – liegt eine kleine grüne Oase für Kinder: Die Sycamore Nursing School – ein Waldorf Kindergarten. Dort sollen die Kinder Natur erleben und sich im freien Spiel mit natürlichen Materialien entwickeln. Umso mehr haben wir uns gefreut, dass – passend zur Waldorfpädagogik – auch Figuren von Holzspielwaren Ackermann täglich von den Kindern genutzt werden.
Um mehr über den Kindergarten und die dahinterliegende Philosophie zu erfahren, haben wir mit Kleonike Chrissochou gesprochen. Die gebürtige Schwäbin ist für ihre Diplomarbeit und ein Praktikum nach Äthiopien gegangen und hat dort ihren jetzigen Mann kennengelernt. Als sie schwanger wurde, stellte sie fest, dass die lokalen Kindergärten oft nicht ihren gewohnten Vorstellungen von kindgerechter Pädagogik entsprechen. Also gründete sie einfach selbst einen Kindergarten, der ihren Ansprüchen entspricht.
Ein Waldorf-Kindergarten in Äthiopien
Wie kam es überhaupt zur Gründung von Sycamore? Wann und durch wen?
„Als ich schwanger wurde, habe ich angefangen, mich mit Pädagogik zu beschäftigen. Ich habe festgestellt, dass es in Addis Abeba an für mich kindgerechten Einrichtungen mangelt, die auch für Normalverdiener finanzierbar sind.“
Wie sieht denn die übliche Kinderbetreuung in Äthiopien aus?
„Kinderbetreuung in Äthiopien ist entweder staatlich oder privat. Die staatlichen Einrichtungen sind total überlastet, weil Geld und Mittel fehlen. Die privaten sind dagegen leider sehr teuer.
Die Kinderbetreuung ist außerdem sehr in die Moderne ausgerichtet. Es ist z. B. Vorschrift, einen Fernseher im Kindergarten zu haben. Auf Außenbereiche und Qualität der Spielgeräte wird keinen Wert gelegt. Vieles ist aus Plastik oder Metall.
Im Kindergarten wird sehr schulisch gearbeitet. Es gibt da kein freies Spiel oder Sinneserfahrungen, wie ich es aus meiner Kindheit kannte. Viele 3jährige Kinder müssen schon Hausaufgaben machen und verbringen den größten Teil des Vormittags sitzend am Tisch. Kinderbetreuung wird meist nur als Vorbereitung auf die Schule betrachtet. Es werden sogar schon Noten vergeben.“
„Dann gründen wir den Kindergarten einfach selbst!“
Und das wolltest du nicht für dein Kind. Wie ging es dann weiter?
„Durch Zufall habe ich Angelika Wagner kennengelernt. Sie betreut seit über 10 Jahren Projekte in Äthiopien, die an der Waldorf-Pädagogik orientiert sind. Angelika hat mich quasi an Waldorf herangeführt. Sie hat lange als Waldorf-Kindergärtnerin und Heilerziehungspflegerin in Mannheim gearbeitet, dort einen Kindergarten gegründet und das Erzieherseminar gegründet und leitet es jetzt auch. Sie hat mich bei der Gründung der Sycamore Nursery School begleitet und beraten.
Ich habe vor 4 Jahren als Tagesmutter angefangen, bin dann vor 2 Jahren in ein größeres Gebäude umgezogen und kann jetzt mit Unterstützung meiner Mitarbeiter mehr Kinder betreuen. Wir haben zwei Gruppen: der Kindergarten für 3 bis 6Jährige und die Krippe für 1 bis 3Jährige. Im Moment arbeiten wir an der staatlichen Anerkennung für den Kindergarten. Alle Mitarbeiter außer mir sind Äthiopier und manchmal haben wir Freiwillige oder Praktikanten aus Deutschland. Wir bei Sycamore sehen uns als Brücke zwischen lokaler Kinderbetreuung und internationaler Kinderbetreuung.“
Mit Holzspielwaren Natur in die Stadt bringen
In Äthiopien ist ein Waldorf-Kindergarten sicher sehr ungewöhnlich. Was verbindet euch mit der Waldorf-Pädagogik, was bedeutet das im Alltag für euch?
Von den Kindern, Eltern und auch Mitarbeitern hat der Waldorf-Ansatz sehr viel Zuspruch bekommen. Handarbeit und praktisches Arbeiten waren früher auch in Äthiopien ganz normal in der Schule, aber jetzt geht dieses alte kulturelle Wissen mehr und mehr verloren.
Wir machen hier natürlich nicht deutsche Waldorf-Pädagogik, aber wir übersetzen die Lehren Rudolf Steiners so, wie es für Äthiopien nötig und möglich ist. Ich möchte den Mitarbeiterinnen nichts aufzwingen, sondern helfe ihnen, den Hintergrund zu verstehen und sie bei der Umsetzung zu beteiligen.
Eine Mitarbeiterin sollte dieses Jahr im April die Waldorf-Ausbildung im Fernstudium in Nairobi anfangen – da kam uns leider Corona dazwischen. Jetzt mache ich eine Spendenaktion und suche Sponsoren für eine weitere Mitarbeiterin für eine zweite Kindergartengruppe.“
Euer Waldorf-Kindergarten liegt ja mitten in der Stadt. Wie bringt Ihr die Natur zu den Kindern und was bedeutet Natur in der Erziehung für euch?
„Der Kindergarten ist wirklich mitten in der Stadt und in Addis gibt es fast keine Spielplätze. Auch die meisten Wohnungen haben keinen oder wenig Garten oder Außengelände. Gerade deswegen ist es mir so wichtig, einen großen Garten für unsere Kinder zu haben. Den Spielplatz haben wir nur mit Naturmaterialien gestaltet: Holz, Stein, Gras. Wir haben Gemüsebeete, Hühner, Hasen und Schildkröten.
Zeit im Garten hat bei uns einen hohen Stellenwert. Die Kinder können dort die verschiedenen Texturen von Stein, Sand oder Holz entdecken. Die erste Reaktion vieler Eltern ist oft, ob das nicht gefährlich ist für ihre Kinder. Aber wir erinnern sie dann an ihre eigene Kindheit. Manchmal muss man kleine „Gefahren“ – wie das freie Spiel im Garten – schaffen, um Große zu vermeiden.“
Waldorf und Holzspielwaren gehören einfach zusammen
Nach welchen Maßstäben sucht Ihr die Spielsachen für die Kinder aus?
„Wirklich qualitativ hochwertiges Spielzeug gibt es in Äthiopien nicht. Es gibt viel Plastik aus China. Einige NGOs machen Holzspielzeug selbst, das hält aber im Kindergartenalltag nicht lange. Auch die Farben, mit denen die Spielzeuge lackiert sind, halte ich für bedenklich. Gerade in der Krippe, wo die Kinder viel mit dem Mund erkunden.
Ich bringe Märchenwolle und Garn aus Deutschland mit und es macht den Mitarbeiterinnen viel Freude, Tiere zu stricken oder Figuren für das Puppenspiel aus Wolle herzustellen. Da sie aber noch sehr ungeübt sind, braucht das viel Zeit.
Durch meine ehemalige Kindergärtnerin Ursula Kaufmann habe ich die Tiere von Holzspielwaren Ackermann entdeckt. Sie hat mich mal besucht in Äthiopien und hat uns einige Tiere mitgebracht. Da waren die Erzieherinnen begeistert. Das kannten sie nicht. Auch für die Kinder ist das schön, es regt die Phantasie an und sie spielen sehr gerne mit ihnen. Das Plastikspielzeug ist eben auch nicht so stabil, weswegen vieles einfach schnell kaputt geht. Bei uns gibt es nur im Sandkasten Plastik, aber ohne Weichmacher und andere Gifte. In den Gruppenräumen gibt es nur Naturmaterialien.“
„Am Ende kann alles gut werden“
Du hast ein paar unserer Holztiere benutzt, um deinen Kindergartenkindern per YouTube eine Geschichte zu erzählen. Könntest du uns die Geschichte von dem Hasen und der Schildkröte kurz erklären?
„Die Geschichte von Hase und Schildkröte geht so: Die beiden beschließen eines Tages, ein Wettrennen zu machen und dazu alle Tiere einzuladen (z. B. Giraffe, Esel und Elefant). Ihre Freunde sollen sie anfeuern. Als der Hase merkt, dass er einen großen Vorsprung hat, legt er sich ein wenig in den Schatten. Er will sich eigentlich nur ausruhen. Aber er schläft ein und die Schildkröte überholt ihn und gewinnt.
Die Moral von der Geschichte? Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben und auch was hoffnungslos erscheint, kann am Ende gut ausgehen.“
Liebe Kleo, vielen Dank für diese schöne Interview und den Einblick in deine Arbeit. Wir wünschen dir alles Gute für die Zukunft und freuen uns, mal wieder etwas von dir zu hören!
Unterstützen Sie die Kinder im Waldorf-Kindergarten Sycamore!
Wenn Sie die Arbeit von Kleonike Chrissochou in der Sycamore Nursery School kennenlernen oder unterstützen möchten, dann besuchen Sie Sycamore auf Facebook oder YouTube.
Mit Ihren Spenden finanzieren Sie die Gebühren für Kinder aus armen Familien:
Kleonike Chrissochou
IBAN: DE 94 1203 0000 1016951970
BIC: BYLADEM 1001
Zweck: Sycamore Sponsor
Von unserer Autorin: Inga Siebert